PRESS 2020

Oktober 2020, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Der tiefe Schlaf

FRANKFURT. „Du bist nicht allein, wenn du träumst heute Abend / Du bist nicht allein, wenn du träumst von der Liebe.“ Was wohl hat Dieter Mammel sich dabei gedacht, seine Ausstellung mit den Zeilen aus einer Schnulze von Roy Black zu überschreiben? Und dann wie stets in farbiger Tusche auf die rohe Leinwand geworfene Tanzszenen mit Fred Astaire aus Filmen wie „Swing Time“, „Tanz mit mir“ oder auch „Broadway Melody“ zu zeigen? Nun, keine Ahnung, aber ein bisschen sentimental mochte man die meist monochrome Malerei des in Frankfurt und Berlin lebenden Malers immer schon empfinden.

Das galt schon für die Werkgruppe der „Family Works“, mit der sich Mammel vor gut und gerne 15 Jahren erstmals in der Galerie Hübner & Hübner vorstellte. Für seinen aktuellen Zyklus „Du bist nicht allein“ freilich gilt das allenfalls bedingt. Dabei sind auch die sämtlich in diesem Jahr entstandenen Arbeiten wie „Walzer“ oder „Tanz mit mir“ durchaus persönlich motiviert. Immerhin gehörte einer der Filme Astaires zu Mammels frühesten, vom Großvater begleiteten Kinoerlebnissen. Dass es dem Künstler darüber hinaus um mehr und auch um etwas anderes geht als um eine kostbare Erinnerung, zeigen unterdessen nicht nur die Verweise auf die zur Isolation des Malers in seinem Atelier führende Corona-Krise. Es sind vor allem die beunruhigenden, hier in tiefes Blau, dort in Aubergine getauchten Figuren aus dem „Tiefen Schlaf“, die den Schlagertext in einem anderen Licht erscheinen lassen. Dabei muss man nicht einmal an „The Big Sleep“ von Raymond Chandler denken, an Mord und an Gewalt, wie sie das Bild „Shut up“ vorführt, oder auch an die Einsamkeit, in der sich der Wanderer in Mammels nach gerade romantischem „Aufbruch im Nebel“ verliert. Von Roy Black und von der Liebe jedenfalls träumt hier ganz offensichtlich niemand mehr.

 
Christoph Schütte
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14.10.2020

September 2020, Frankfurter Neue Presse

Bilder nach denen wir uns sehnen

Die Galerie Hübner&Hübner präsentiert Werke von Dieter Mammel

Dieter Mammel mit seiner Lebensgefährtin Claudia Schick
Dieter Mammel mit seiner Lebensgefährtin Claudia Schick

Frankfurt - Immer wieder klingt in Dieter Mammels Ohr der alte Schlager von Roy Black "Du bist nicht allein". Der Song begleitet den in Reutlingen geborenen Künstler (55) seit seiner frühesten Kindheit und offenbart das Versprechen nach Nähe, Verständnis und Liebe. Genau diese Sehnsüchte will er mit seinen aktuell in der Frankfurter Galerie Hübner&Hübner präsentierten Werken ausdrücken. "Für uns ist das bereits die sechste Ausstellung mit dem Künstler, der seinem Stil treu bleibt, aber stets aktuelle Bezüge setzt", sagt Galerist Ernst Hübner.

Mammel, der an den Kunstakademien in Stuttgart und Berlin Malerei studierte, hat sich lange mit Holzschnitten beschäftigt. Nach wie vor ist ihm diese Technik bei seiner Malerei wichtig. "Hell und Dunkel, Licht und Schatten, all das spielt in meinen Werken eine Rolle."

Beim ersten Blick auf die in monochromer Farbpalette gehaltenen Leinwände wird klar, dass sich der Maler mit den seelischen Auswirkungen der Pandemie auf den Menschen beschäftigt. "Wir alle haben durch Corona ein kollektives Problem. Wir sind gezwungen, Abstand zu halten und sehnen uns nach Nähe", so Mammel. An die 20 größere und kleinere Leinwände bespielen die Galeriewände, die auch aufgrund der besonderen Technik zum Eintauchen in die Bildwelten einladen. Alle Werke sind auf am Boden liegende nasse Leinwände mit cyanfarbener Tusche gemalt und gleichen surrealen Filmszenen. Wird in dem Gemälde "Schneewalzer" ein seltsam verträumtes Tanzpaar in einer riesigen Schneelandschaft dargestellt, sehnt sich im Werk "Abstand" eine wie in einer filmischen Nahaufnahme in Szene gesetzte nackte Frau nach Berührung, die sie zugleich mit energischer Geste wieder zurückweist.

In Erinnerung bleiben wird auch das Gemälde "Maskenball", das an eine Tanzpose von Ginger Rogers und Fred Astaire erinnert. Das Paar wirkt vertraut und dennoch seltsam distanziert. Die beiden Tänzer gleichen Schachfiguren, die sich nach einer vorgegebenen Choreographie bewegen, aber dabei seelenlos und unbeteiligt wirken. So ist es vor allem das Ausloten und Bilanzieren von Nähe und Distanz, das dem Betrachter in den Werken Mammels entgegentritt.

Der Künstler lebt und arbeitet in Berlin und Frankfurt. "Ich kann da Kunst machen, wo ich mich zu Hause fühle." In Frankfurt unterhält er sein Studio im AtelierFrankfurt und fühlt sich hier ganz besonders wohl. "Hier lebt meine Liebe Claudia."

HR-Moderatorin Claudia Schick erinnert sich an das erste Kennenlernen. "Wir haben uns vor einigen Jahren zufällig in einem Café in Luzern getroffen." Sie ist von Mammels Bildern begeistert, "weil Dieter einer der besten Maler ist". Das fanden auch die Vernissage-Gäste, und spontan erwarb ein Ehepaar gleich das großformatige Gemälde "Abstand", eines der Hauptwerke. So schön kann Distanz sein, wenn sie von Dieter Mammel inszeniert wird.

Edda Rössler

Frankfurter Neue Presse vom 29.09.2020

Oktober 2020, Die Leichtigkeit der Kunst

Podcast - Du bist nicht allein

August 2020, Kunstmuseum Reutlingen

Schenkung Berliner Privatsammlung mit Werken Dieter Mammels an das Kunstmuseum

Das Kunstmuseum Reutlingen übernimmt eine einzigartige Sammlung mit vierzig Werken Dieter Mammels als Schenkung. Der Berliner Unternehmer Eckhard Franz trug mit großer Kennerschaft über 25 Jahre hinweg eine repräsentative Auswahl des bisherigen künstlerischen Schaffens Dieter Mammels zusammen. Im Juli 2018 war der Sammler zur Eröffnung der Ausstellung Tiefer Schlaf nach Reutlingen gereist und lernte so auch persönlich das Kunstmuseum Reutlingen kennen. Kurz vor seinem Ableben im Herbst 2019 entschied Eckhard Franz, seine Mammel-Sammlung als Gesamtheit an das Reutlinger Kunstmuseum zu geben. Die Leiterin des Kunstmuseums Ina Dinter zeigt sich sehr erfreut über den Sammlungszuwachs: „Mit dieser Schenkung verfügt das Kunstmuseum nunmehr, neben den bereits zuvor erworbenen Mammel-Werken, über einen umfangreichen Bestand, der seinesgleichen sucht und mit wesentlichen Arbeiten alle Schaffensphasen des Künstlers repräsentiert. Der Sammler Eckhard Franz, den ich leider persönlich nicht mehr kennenlernen durfte, war dem Künstler und seiner Kunst über Jahre eng verbunden und ich freue mich sehr, dass diese großartige Sammlung zusammenbleiben kann.“
Dieter Mammel wurde 1965 in Reutlingen geboren. Ab 1986 studierte er zunächst freie Grafik an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und anschließend bis 1991 freie Malerei an der Hochschule der Künste in Berlin. Über die Jahre erhielt er zahlreiche Stipendien, unter anderem das Stipendium der Karl-Hofer-Gesellschaft Berlin und das Atelierstipendium Frankfurt/Main. Seine Werke zeigte Mammel vielerorts in Europa sowie wiederholt in der Türkei, den USA und Kanada. Seit vielen Jahren lebt und arbeitet Mammel in Berlin und Frankfurt/Main. Seinem Geburtsort und der umgebenden Alb-Landschaft blieb er jedoch immer eng verbunden. So konnten seine Werke in den Ausstellungen Family works 2004 und Tiefer Schlaf 2018 in der Galerie des Kunstmuseums dem Publikum präsentiert werden. Außerdem ist Mammel Mitglied der XYLON und regelmäßiger Teilnehmer der Ausstellungen der Holzschneidervereinigung.

Kunstmuseum Reutlingen am 27.08.2020

August 2020, Reutlinger General-Anzeiger

20. August 2020