PRESS 2018

November 2018, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Juli 2018, Reutlinger General-Anzeiger

»Tiefer Schlaf«

Dieter Mammel kehrt für eine Ausstellung nach Reutlingen zurück
Dieter Mammel kehrt mit der Schau »Tiefer Schlaf« in der Kunstmuseums-Galerie nach Reutlingen zurück

REUTLINGEN. Ein Künstler, der auszieht, ist nichts Ungewöhnliches: nach Stuttgart, nach Berlin, nach Frankfurt. Jetzt kehrt der 1965 in Reutlingen geborene Dieter Mammel mit seinen Arbeiten wieder in die Heimat zurück, zum zweiten Mal. Das Kunstmuseum hat ihm eine Ausstellung mit dem Titel »Tiefer Schlaf« gewidmet. Am heutigen Freitagabend ist Eröffnung in der Kunstmuseums-Galerie im Souterrain des Kunsthauses an der Eberhardstraße, das neuerdings »Wandel-Hallen« heißt. Während sich die Kunstmuseums-Galerie bis vor Kurzem noch »Städtische Galerie« nannte.

Der Künstler Dieter Mammel ist eine Menge: Maler, Zeichner, Videofilmer, ein wenig Bildhauer und Bastler. Vor allem aber ist er Holzschneider und fühlt sich natürlich auch HAP Grieshaber verbunden, dem er in jungen Reutlinger Jahren noch begegnet ist, als einem ersten großen Inspirator. Aber auch Caravaggio geistert durch die hellen Katakomben, Manet oder der moderne Archaiker und Symbolist Ferdinand Hodler – und natürlich die eigene Familie, im Film wie im fotografischen Taufmotiv der »Amöbe«.

Tauftextil als Zellhaufen

Es handelt sich da um ein Bild aus dem Familienalbum, das den Künstler als frisches Menschenkind mehr verhüllt als erkennbar zeigt, in den Armen seines Onkels. Dieses gesteppte Taufkleid-Textil hat Dieter Mammel zu einem privaten Symbol aufgeladen. Er hat es zu einer Art Zellhaufen verdichtet, der einerseits in einem gespiegelten Holzschnitt auftauchen kann, aber auch als Hauptfigur in jenem surrealistischen Heimatfilm, der in einer neuen Doppel-Fassung gezeigt wird.

Der textile Zellhaufen wird in Lauterach verbrannt, dem Familienort auf der Schwäbischen Alb. Für diese Videoinstallation (»family works«) hat Mammel zwei uralte Fernsehgeräte entkernt und innen mit modernen Bildschirmen wiederbelebt. Von einem Sofa aus den Kindertagen des Fernsehens aus lässt sich die doppelte familien-archäologische Video-Installation von 20 Minuten Spielzeit bequem beobachten.

Wie das Feuer ist auch das Wasser wichtig, schon allein durch eine bevorzugte Technik Mammels: Auf nasser Leinwand gibt er ikonische Bilder wieder, monochrom mit Tusche oder Acrylfarbe »al fresco« in den Untergrund gezeichnet, in dieser leicht fließenden, verschwimmenden Unterlage. Er habe sie, sagt Mammel, nicht etwa – wie bei vielen Künstlern üblich – als Fotografien auf die Leinwand projiziert und deren Umrissen entlang bemalt, sondern ganz aus Gedächtnis und Einprägung feucht fixiert. Die Leinwand ist das Licht, die monochrome Farbe der Schatten des Bildes.

Da sind auch viele gewissermaßen schwimmende Gesichter dabei, schlafende, tief schlafende, manchmal dem Tode nahe scheinende Gesichter oft schöner Frauen. Amor-Motive oder auch Holbeins im Grabe liegender Christus umreißen die Thematik von Liebe und Tod, von Feuer und Wasser.

Eine besonders originelle Technik widmet Mammel dem »Holzfäller« des schweizerischen Nationalmalers Ferdinand Hodler, ein Motiv, das schon durch den Auftrag, einen 50-Franken-Schein zu illustrieren, geradezu omnipräsent ist über das nachgefertigte Ölbild in Paris hinaus. Mammel paraphrasiert diese Ikone auf ganz eigene Weise (»Der fliegende Hodler«) und auch wieder doppelt. Zum einen dreht er sie von einem kraftvoll Fällenden zu einem seiner stabilen Füße Beraubten, in einen suggestiven Strudel Stürzenden. Zum anderen setzt er – im Abstand von einem Meter, sodass ein Mensch dazwischen passt – vor das holzschnitthafte Großformat ein bemaltes Gazetuch mit dem gleichen Motiv. Das hat eine seltsam irisierende, schwindelerregende Wirkung, abhängig auch von der Entfernung des Betrachters.

Der kann in den weiten, weißen Hallen dann wieder auch ganz andere visuelle Erfahrungen mit Mammels Arbeiten machen. Und sei es beim entspannten Fernsehen auf dem alten Sofa.

Martin Bernklau
www.gea.de, Online-Ausgabe des Reutlinger General-Anzeigers

06.07.2018

Juli 2018, Der Kulturblog von Rainer Zerbst

Zwischen Sein und Nichtsein: Malerei von Dieter Mammel

Das Malen eines Bildes gleicht einer Creatio ex nihilis. Ein erster Pinselstrich auf der unberührten Leinwand schafft eine Realität. Diese kann ergänzt werden (und wird es auch meist), sie kann modifiziert, nicht aber zurückgenommen werden. Selbst eine Übermalung schafft eine neue Realität. Insofern ist der Maler gefangen in einer Welt der - wenn auch nur gemalten - Dinge, zu denen jeder Strich, jede Fläche zählt. Das mag in der Moderne geradezu anachronistisch anmuten, in der selbst die früher als solide angesehene physikalische Welt durch die moderne Wissenschaft als stets im Fluss, in Bewegung entlarvt wurde. Eine Ausstellung in der Städtischen Galerie Reutlingen zeigt einen Maler, der diese Schaffung von Welt durch den Pinsel für problematisch hält. Dieter Mammel beschreitet mit seinen Arbeiten Zwischenwelten.

Das zeigt sich schon in den Motiven, die er auf Leinwand gestaltet. Was heute auf der Varietébühne als Zauberei präsentiert wird, ist Illusionskunst, sie arbeitet mit Augentäuscherei. Was als Zauberei wahrgenommen wird, findet streng genommen im Auge des Betrachters statt. Wenn Dieter Mammel also ein Bild Zauberei nennt, entführt er den Betrachter in ein Reich, das mit der physikalischen Realität nur bedingt zu tun hat. Dasselbe gilt für Bildthemen wie den Schlaf. Es ist weder ein Zustand des Leblosen, Toten, noch die Präsenz der geistigen Wachheit, sondern spielt sich in einem Zwischenreich ab, in dem Elemente der Welterfahrung, des eigenen Alltags, in verwandelter Form auftauchen und eine neue, illusionäre Realität bilden. Traum und Schlaf sind daher ideale Motive, wenn ein Künstler wie Mammel sich Fragen nach der Solidität unserer Welt und deren Wahrnehmung macht.

Bevorzugtes Element ist ihm dabei das Wasser. Es ist physikalisch vorhanden, entzieht sich aber jeder Festlegung. Wasser fließt, selbst wo es steht und solide wie eine spiegelnde Glasfläche zu sein scheint, ist es flüchtig, bei Berührung durchlässig - eine Illusion des Auges. Zudem nimmt es als Trägermaterie eine Zwischenposition ein. So mag es durchaus den darauf liegenden Körper tragen wie ein Brett, ist aber zugleich trügerisch und kann diese Tragefunktion auch verlieren. Auf dem Wasser zu treiben, zu schwimmen, bedeutet somit einen Zwischenzustand zwischen geplanter, gezielter Aktion und passivem Sichgehenlassen, entspricht jenem Zwischenbereich, in den man beim Übergleiten in den Schlaf verfällt.

All dies prägt Mammels Bilder, sie zeigen existentielle Zwischenwelten, ambivalente Seinszustände. Die Köpfe seiner Figuren tauchen meist mit dem Hinterkopf tief in das Wasser ein, lassen gerade noch die Silhouette des Gesichts erkennen. Da ist ein Sein und ein Entschwinden zugleich. Dadurch erwecken seine Bilder den Eindruck, beweglich zu sein. Hier wirkt nichts fixiert, sondern alles im ständigen Übergang.

Dasselbe gilt auch für seine Bilder aus den Gletscherwelten der Gebirge. Sie sind mit einem weißbläulichen Farbhauch gemalt, Figuren scheinen sich aus dem ewigen Eis nur für Sekunden herauszuschälen, um dann gleich wieder abtauchen zu wollen. Mammels Bilder stellen ständig Fragen nach dem Sein und dem Nichtsein.

Dazu trägt auch seine Malweise bei. Er verwendet nicht Öl- oder Acrylfarbe; die wäre für seine Themen viel zu präsent und habhaft. Er verwendet Tuschfarbe, prädestiniert zur Transparenz. Zudem "grundiert" er seine Leinwand mit Nässe. Dadurch verschwimmt die Tusche bei der ersten Berührung mit dem Malgrund, sie verflüssigt sich auf der Leinwand, um dann erst zur festen Farbe zu werden. So ist Fließen, das seine Motive charakterisiert, zugleich auch Inbegriff seiner Technik. Maltechnik und Bildinhalt werden eins, das eine geht aus dem anderen hervor. So wird auch der Malakt zu jenem existentiellen Zwischenbereich.

Nicht alle Bilder der Ausstellung belegen diese "Malphilosophie" gleichermaßen. So adaptiert Mammel nicht selten Werke aus der Kunstgeschichte. Da kann es auch mal kalauern, etwa wenn er einem "Baby" von Caravaggio einen Malpinsel in die Hand drückt. Doch wenn er einen Knaben nach Manet beim Blasen einer riesigen Seifenblase darstellt, nähert er sich wieder jenem schillernden Bereich zwischen Sein und Nichtsein. Vollends gelingt ihm das bei seinen mit dem sich nicht ohne Weiteres erschließenden Titel Venus bezeichneten Bildern eines großen Lagerfeuers. Flammen sind mehr noch als Wasser Symbol des Nichtseins im Sein. Die Flammen sind vorhanden, man spürt sie sogar mit ihrer wärmenden Energie, doch bereits im nächsten Augenblick verpufft der gleißende Schein ins Nichts. Mammel hat das mit seiner Maltechnik faszinierend realistisch eingefangen und gerade dadurch im existentiellen Zwischenbereich belassen. Alles Sein, so die Erkenntnis in dieser Ausstellung, ist flüchtig - als solches faszinierend und doch zugleich auch ein wenig deprimierend.

Der Kulturblog von Rainer Zerbst

10. Juli 2018

Januar 2018, Signums sine Tinnitu

Dieter Mammel- einer der wichtigsten Künstler unserer Zeit

Dieter Mammel, ein deutscher Zeichner und Maler, wurde 1965 in Reutlingen geboren. Aufgewachsen im schönen Süddeutschland erlebt Mammel eine Kindheit, die geprägt ist, von spielerischem Abenteuer, aber auch dem persönlichen Rückzug- schon früh sucht er sich eigene kleine Verstecke, in denen er zeichnet, liest oder auch kleine Objekte baut. Als er das Kino für sich entdeckt, faszinieren ihn die Phantasiewelten, die andere für die Leinwand geschaffen haben – ein Einfluss von dem seine Werke bis heute geprägt sind. Mammel studierte Malerei an der Kunstakademie Berlin und Stuttgart von 1986-1991 mit Abschluss als Meisterschüler und erhielt zahlreiche Stipendien. Mittlerweile lebt und arbeitet Mammel in Frankfurt und Berlin, ist Maler und Cineast.

Die Malerei des Dieter Mammel

Dieter Mammels malerisches Werk ist geprägt von seiner speziellen Technik. All seine Arbeiten entstehen am Boden. Er verwendet rohe, großformatige Leinwände, die er zunächst komplett mit Wasser durchnässt, um dann mit Tusche, Gouache oder Aquarell das eigentliche Motiv darauf zu malen. Seine Werke werden durch das Zusammenspiel aus dem Herumlaufen um das Bild und der aufgetragenen Farbe, die durch die Nässe in sich verläuft – sich verzweigt zum Leben erweckt. Doch erst aus der Distanz heraus, erschließt sich beim Betrachten der riesigen Leinwände, das Motiv für den Betrachter. Aus der Nähe betrachtet, verlaufen Mammel´s Bilder zu einer Ansammlung farbiger Wassertropfen.

Dem Künstler geht es bei seinen Werken auch um Themen wie Nähe und Distanz. Überhaupt hat seine Kunst viel mit dem Thema Menschlichkeit und Menschsein zu tun.So bringt er 2017 mit seiner Ausstellung „Nah und Fern“ auf sensible und feinfühlige Art und Weise seine ganz eigene Gedankenwelt in Wechselwirkung zu den politischen Ereignissen unserer Zeit auf die Leinwand.Hier thematisiert er Suche, Flucht, Verortungen und die Reise des Menschen sowie die damit verbundenen Sehnsüchte nach Akzeptanz und Ankunft. Gezeigt werden z.B. Menschen, die gegen Wind und Wetter anrufen, in Wäldern eilen und verweilen oder sehnsüchtig in die Ferne blicken.Seine Charaktere stehen dabei einer blinden, lauten Wut von Inszenierung und Selbstüberhöhung gegenüber. Behutsam pendelt der Künstler zwischen jenen möglichen Seins-Zuständen und greift die feinen emotionalen Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Extremen auf. Er liefert somit ein tiefsinniges Abbild seiner und unserer Welt.

Dieter Mammel – Idee und Intention

Mammels Bilder entstehen anhand von Spiegelbild, Fotografie und Skizze und haben oft eher einen filmischen als malerischen Charakter an sich. So wird beispielsweise der cineastische Einfluss in seiner Ausstellung “Diven Zyklus” aus dem Jahr 2015 deutlich. Hier zeigt Mammel bekannte Leinwand-Diven in ganz privaten Situationen – in Momenten, bevor sie auf die Bühne, bzw. “nach draußen gehen”. Der Maler greift hier wiederum ein menschliches Thema auf- das der Intimität. Für den Maler spiegelt sich hier auch ein Stück seiner eigenen Gefühlswelt wieder. Indem er den Moment des Abkapselns der Diven von der Öffentlichkeit darstellt, portraitiert er damit auch ein Stück weit sich selbst. Diese Eigenschaft wohnt allen seinen Werken von Menschen inne, die er malerisch darstellt.

Er spielt mit Licht und Schatten – seine Bilder sind monochrom – bestehen meist aus nur einer, höchstens 2 Farben. Lichtflecken grenzen an Dunkelheit und schaffen sowohl Irritation als auch Intimität. Mit großer Ernsthaftigkeit verleiht der Maler dabei einfachen Objekten Tiefe und Bedeutung.

Dieter Mammels Zeichnungen und Gemälde wurden in Einzelausstellungen in Bremen, Hamburg, Berlin, München, Frankfurt am Main, Köln sowie in Wien, Istanbul, Potsdam, Athen, Leningrad gezeigt. Seine bekanntesten Einzelausstellungen sind: Galerie und Kunstkabinett Corona Unger, Galerie Hamburger Kunstprojekt, Dagmar Schmidla Galerie, Galerie Hübner & Hübner, Frankfurt am Main, Albrecht-Dürer Gesellschaft, Museum am Ostwall uvm. Der einflussreiche Maler leitet 4 Jahre lang die Fachklasse für Malerei und Kunstgeschichte an der Mediadesign Akademie in Berlin.

Die Preise für Werke des Künstlers bewegen sich von 3.000 EUR bis 20.000 EUR aufwärts und sind weltweit bekannt.

Signums sine Tinnitu

23. Januar 2018